Polizeiliche Abmeldung, ausgestellt am 27. 9. 1933 in Berlin-Schöneberg, unterschrieben von Louise Zemlinsky. Nach der Machtübernahme der Nazis und dem im April 1933 erlassenen Beschäftigungsverbot für Juden im Staatsdienst kündigte Zemlinsky seine Stellung an der Berliner Musikhochschule. Mit seiner Frau und seiner Tochter verließ er am 27. 9. die Stadt in Richtung Wien.
Exil in der Heimatstadt
Wien 1933–1938
„Bin ich kein Wiener? Nicht einer der echtesten in jeder Beziehung?”
Zemlinsky
Zemlinsky liebte seine Heimatstadt über alles. Dies mag auch entscheidend dafür gewesen sein, dass er im Herbst 1933 aus Berlin zurück nach Wien ging und nicht, wie etwa Schönberg, ein fremdes, aber sichereres Refugium aufsuchte. Zwar drohte für ihn und seine Familie Mitte der 30er Jahre noch keine unmittelbare Gefahr, doch waren die Anzeichen politischer Repressionen zumal in der Kultur unübersehbar. Zemlinsky konnte trotz seines großen Renommees als Dirigent im Wiener Musikleben nicht mehr dauerhaft Fuß fassen. Die Stadt sollte sich für ihn mehr und mehr als „sinkendes Rettungsboot” erweisen.
Die Familie bezog zunächst eine Wohnung in der Mariannengasse (IX. Bezirk). 1934 ließ sie sich in der Kaasgrabengasse im noblen XIX. Bezirk (Grinzing) ein Haus nach den Plänen des Hoffmann-Schülers Walter Loos bauen, dessen moderner Stil die Aufmerksamkeit mancher Besucher erregt haben soll. 1933 übernahm Zemlinsky die Leitung des 1931 von Hermann Scherchen gegründeten Wiener Konzertorchesters. Er dirigierte hier nur eine Saison, denn 1934 wurde Paul Breisach zum „ständigen Dirigenten” berufen. 1935 musste das Orchester aus Geldmangel aufgelöst werden. Als Gastdirigent hatte Zemlinsky jedoch weiterhin zahlreiche
Verpflichtungen im Ausland.
Zumindest einen Wunsch konnte sich Zemlinsky jetzt endlich erfüllen: Seine ganze Zeit dem Komponieren zu widmen. So enstand ein vielgestaltiges Spätwerk, in dem er in allen Gattungen gleichsam einen Spiegel auf seine fast 40-jährige Karriere richtete und noch einmal zu neuen Ausdrucksformen fand. Im Zentrum stand die Arbeit an der Oper „Der König Kandaules” (1935–38), zu der er nicht zuletzt durch den großen Erfolg des am 14. 10. 1933 uraufgeführten „Kreidekreis” ermutigt worden war; außerdem entstanden u.a. die „Sinfonietta” (1934), das 4. Streichquartett (1935) und der „13. Psalm” für Chor und Orchester (1936). Die politische Situation wurde ab 1937 jedoch so bedrückend, dass an eine kontinuierliche Arbeit nicht mehr zu denken war. Nach Hitlers Einmarsch in Wien plante die Familie ab dem Frühjahr 1938 die Flucht.