Zemlinskys Sterbehaus in Larchmont, N.Y., Fotografie von 1985. Das Haus haben Alexander, Louise und ihr Bruder Otto erst vier Tage vor Zemlinskys Tod bezogen. Bis dahin wohnten sie in einer Parterre-Wohnung mit Garten im nahen New Rochelle. In einem Brief an seine später im KZ ermordete Mutter in Prag vom 4. 8. 1940 beschrieb Otto die erste Zeit außerhalb Manhattans: „[…] Wir sind ganz von Grün umgeben und das Vogelgezwitscher am Morgen ist herrlich. In letzter Zeit haben wir wenig Besuch gehabt, da viele unserer Bekannten über den Sommer weggefahren sind, aber eigentlich empfinden wir das eher als Wohltat. Alex schimpft zwar manchmal – Du kennst ihn ja – aber meist ist er sehr heiter. Luise sieht sehr gut aus und ich, angeblich wie noch nie! […] Vor allem sind wir glücklich, nicht mehr in New York zu sein,
wo die Hitze unerträglich sein muss. Auch ist hier eine köstliche Stille. Man ist wirklich wie am Land und hat doch alle Bequemlichkeiten, da einem alles ins Haus zugestellt wird. […]”
Die letzten Jahre
New York 1938–1942
„Hier möchte ich nicht einmal begraben sein.”
Zemlinsky, 1939
Zemlinsky kam mit seiner Frau und seiner Tochter im Alter von 67 Jahren nach New York. Seine angegriffene Gesundheit und die Erlebnisse der vergangenen Monate machen begreiflich, dass ihm die Anpassung an die neuen Lebensbedingungen schwer fiel. Die ersten Wochen verbrachte die Familie in einem Hotel in Manhattan, im Februar 1939 mietete sie eine Wohnung in 46 West 83rd Street.
Immerhin fand Zemlinsky kurzzeitig Kraft, einen Sprachkurs zu besuchen. Doch Mitte 1939 erlitt er einen schweren Schlaganfall. Um dem Lärm der Stadt zu entkommen, zog er 1940 mit Louise – die Tochter blieb in New York – in eine ruhig gelegene Wohnung nach New Rochelle nordwestlich der Stadt. Mittlerweile war Louises Bruder Otto zu ihnen gestoßen, durch dessen Hilfe die finanziellen Schwierigkeiten weitgehend behoben werden konnten. Otto starb noch im Dezember desselben Jahres.
Zu einigen Freunden aus Europa hatte Zemlinsky in New York regelmäßig Kontakt. Zunächst vor allem zu seinem ehemaligen Schüler Arthur Bodanzky, der Ende 1939 starb, aber auch zu Hans Heinsheimer von der Universal Edition, zu dem Dirigenten Fritz Stiedry und zu Walter Firner, einem Freund aus der Berliner Zeit. Mit Schönberg, der in Los Angeles lebte, kam es wieder zu einigen wenigen Briefwechseln. Er wollte Zemlinsky dazu bewegen, auch in den Westen zu kommen, was jedoch dessen Gesundheit nicht zuließ. Persönlich begegneten sie sich noch einmal, als Schönberg im November 1940 in New York seinen „Pierrot lunaire” dirigierte.
Die künstlerische Arbeit war nicht mehr sehr ertragreich. Neben dem Opernprojekt „Circe”, das er direkt nach dem Scheitern des „Kandaules“ in Angriff nahm, entstanden – aus finanzieller Notlage heraus – zwei pädagogische Schulstücke sowie einige leichte Lieder, deren von Arthur Bodanzky vermittelte Veröffentlichung Zemlinsky jedoch nur unter dem Pseudonym „Al Roberts” gestattete.
Von einem neuerlichen Schlaganfall im Dezember 1940 erholte sich Zemlinsky nicht mehr. Am 15. 3. 1942, vier Tage, nachdem er mit Louise ein Haus im nahen Larchmont bezogen hatte, starb Zemlinsky.
Todesbescheinigung Zemlinskys, 16. 3. 1942. Zemlinsky war schon ein gebrochener Mann, als er in Amerika eintraf. Die schwere Krankheit war nur ein Frage der Zeit. In seinem letzten eigenhändigen Brief an Schönberg von Ende 1939 heißt es: „Lieber Schönberg. Bald nach unserer Ankunft in Newyork erkrankte ich an einer schweren Nervenkrankheit und ebenso bald wurde es uns klar, daß wir nicht in dieser Stadt bleiben werden und jetzt steht fest, daß wir nach dem Westen gehen. Wie der 1. Frühlingstag kommt, fahren wir hier von hier weg. Monate lang lag ich mit großen Schmerzen. Das, was wir in Wien erlebt u. gesehen haben konnte nur diesem Abschluß führen: ein kompletter Nervenzusammenbruch. Ich werde Dir bald mehr schreiben sobald ichs imstande bin. […]”