Taufschein von Zemlinskys Vater Adolf von Zemlinszky, Erz-Diözese Wien, 23. 4. 1845. Zemlinsky benötigte den Schein wie auch die Heiratsurkunde seiner Großeltern im Frühjahr 1938 zum Nachweis der arischen Abstammung. Nach den Nürnberger Rassengesetzen galt er jedoch als „Vierteljude”: seine Mutter hatte sephardisch-jüdische Vorfahren.
Kindheit in der Leopoldstadt
Wien 1871–1882
„Sehr dumm war und ist keiner von uns – siehe: Alex!!”
Zemlinsky über seine Familie
Alexander Zemlinsky wurde am 14. Oktober 1871 in Wien geboren. Sein Geburtshaus steht in der Odeongasse im II. Wiener Gemeindebezirk (Leopoldstadt), dem Zentrum des jüdischen Lebens der Metropole. Zemlinskys Kindheit stand im Zeichen eines einfachen, entbehrungsreichen Familienlebens und einer strengen Erziehung, die auf sprachliche und musische Bildung großen Wert legte. Entscheidende Eindrücke empfing er auch vom Alltag der sephardischen Juden, deren Tempel in der Nähe der Wohnung stand.
Sein Vater, der gebürtige Katholik Adolf von Zemlinszky (erst zu Beginn seiner Komponistenkarriere schrieb Zemlinsky den Familiennamen meistens ohne ,z’), konvertierte 1870 zum jüdischen Glauben und wurde Sekretär der türkisch-israelitischen Kultusgemeinde.
Er war ein literarisch gebildeter Mann, der sich auch als Schriftsteller betätigte. Die Mutter Clara Semo, eine „schüchterne, verschlossene Frau, die mehr Innenleben hat” (Zemlinsky), stammte aus Sarajevo, das zur Zeit ihrer Geburt noch unter türkischer Kontrolle war.
Ihr Vater war sephardischer Jude, ihre Mutter Muslimin. Zemlinsky hatte zwei Schwestern: die 1874 geborene, nach wenigen Wochen verstorbene Bianca und Mathilde (geb. 1877), die spätere Frau Arnold Schönbergs.
Seine Schulbildung erhielt Zemlinsky zunächst in einer sephardischen Schule, dann in der staatlichen Volksschule und auf dem Gymnasium. Die große musikalische Begabung zeigte sich, als er im Alter von vier Jahren bei einem Freund die Gelegenheit bekam, auf dem Klavier zu spielen. Die Eltern förderten das Talent, sorgten dafür, dass Zemlinsky im Tempel-Chor sang und die Orgel spielte und stellten 1884 den Antrag auf Aufnahme im Konservatorium der Gesellschaft der Musikfreunde. Auch in seiner „freien” Zeit sammelte Alexander, wo sich ihm die Möglichkeit bot, musikalische Eindrücke. So soll ihn eine Aufführung des „Lohengrin” in der Hofoper tagelang in ein „Fieber der Erregung” versetzt haben.
Heiratsurkunde der Großeltern väterlicherseits. Zemlinskys Großvater Anton Semlinsky war einer der vielen Katholiken, die, aus Ungarn kommend, sich im II. Wiener Bezirk niederließen. Er arbeitete zunächst als Bahnbeamter und eröffnete später ein Kaffeehaus. 1832 heiratete er Cäcilie Pulletz, deren Vater Wenzel Pulletz mutmaßlich am Theater an der Wien als Musiker angestellt war.