Wege in der Hauptstadt der Musik
Wien 1895–1911

„Sein Lob kann nicht laut genug verkündet werden.”
Paul Stefan

Für einen begabten und gewissenhaft ausgebildeten Musiker wie Zemlinsky bot das überreiche Wiener Musikleben um die Jahrhundertwende eine Fülle an Chancen, erforderte aber auch große Durchsetzungskraft. Zemlinsky gelang es in den Jahren zwischen dem Abschluss seines Studiums und dem Weggang nach Prag, als Dirigent und Lehrer viel Praxis zu sammeln und als Komponist seine eigene Sprache zu finden. Der große Durchbruch blieb jedoch aus, teils wegen seines passiven Temperaments, teils wegen manch unglücklicher äußerer Umstände. Wichtig für Zemlinskys Weg als Komponist und Dirigent war die Mitgliedschaft in einigen musikalischen Vereinen: 1893–1903 gehörte er dem von Brahms unterstützten Tonkünstlerverein an, 1903–1904 dem literarisch orientierten Ansorge-Verein. 1904 gründete er gemeinsam mit Schönberg die „Vereinigung schaffender Tonkünstler”, die sich vor allem der Pflege neuer Musik widmete. Als Ehrenpräsident konnte Mahler gewonnen werden; sie bestand jedoch nur ein Jahr.

Die für Zemlinsky persönlich wohl prägendste Institution jedoch war die Orchestervereinigung „Polyhymnia”, die verschiedene Laienorchester im II. Wiener Bezirk integrierte und deren künstlerischer Leiter er seit der Gründung 1895 war. Hier konnte Zemlinsky nicht nur zahlreiche eigene Werke aufführen, sondern lernte mit Arnold Schönberg auch den wichtigsten Freund seines Lebens kennen.

Über das Engagement in den Künstler-Vereinen hinaus knüpfte Zemlinsky Kontakte zu vielen der wichtigen Musiker, Literaten, Maler und Kritiker aus der pulsierenden Wiener Kunstszene, darunter Gustav Mahler, Franz Schreker, Hugo von Hofmannsthal, Richard Heuberger, Richard Gerstl, Arthur Bodanzky, Julius Korngold, Rudolf Stefan Hoffmann und Richard Specht. Drei Ereignisse griffen – neben der Trennung von Alma Schindler und der Begegnung mit Schönberg – entscheidend in Zemlinskys Privatleben ein: 1899 konvertierte er zum Protestantismus, 1907 heiratete er Ida Guttmann (geb. 1880), die Schwester seiner Jugendliebe Melanie, 1908 wurde seine Tochter Johanna geboren.