Johannes Brahms, Fotografie von Maria Fellinger, 1896. Die Begegnung mit Brahms, dem neben Wagner großen Vorbild, war eines der bedeutendsten Erlebnisse des jungen Zemlinsky. „Ich kannte die meisten Werke Brahms’ gründlich und war wie besessen von dieser Musik”, schrieb er später. Brahms war auch einer seiner wichtigsten Förderer. In einem von ihm angeregten Wettbewerb des Tonkünstlervereins gewann Zemlinsky am 22. 12. 1896 mit seinem Klarinetten-Trio op. 3 den dritten Preis, wenig später empfahl Brahms die Publikation dieses Werkes seinem Verleger Simrock.
Wege in der Hauptstadt der Musik
Wien 1895–1911
„Sein Lob kann nicht laut genug verkündet werden.”
Paul Stefan
Für einen begabten und gewissenhaft ausgebildeten Musiker wie Zemlinsky bot das überreiche Wiener Musikleben um die Jahrhundertwende eine Fülle an Chancen, erforderte aber auch große Durchsetzungskraft. Zemlinsky gelang es in den Jahren zwischen dem Abschluss seines Studiums und dem Weggang nach Prag, als Dirigent und Lehrer viel Praxis zu sammeln und als Komponist seine eigene Sprache zu finden. Der große Durchbruch blieb jedoch aus, teils wegen seines passiven Temperaments, teils wegen manch unglücklicher äußerer Umstände. Wichtig für Zemlinskys Weg als Komponist und Dirigent war die Mitgliedschaft in einigen musikalischen Vereinen: 1893–1903 gehörte er dem von Brahms unterstützten Tonkünstlerverein an, 1903–1904 dem literarisch orientierten Ansorge-Verein. 1904 gründete er gemeinsam mit Schönberg die „Vereinigung schaffender Tonkünstler”, die sich vor allem der Pflege neuer Musik widmete. Als Ehrenpräsident konnte Mahler gewonnen werden; sie bestand jedoch nur ein Jahr.
Die für Zemlinsky persönlich wohl prägendste Institution jedoch war die Orchestervereinigung „Polyhymnia”, die verschiedene Laienorchester im II. Wiener Bezirk integrierte und deren künstlerischer Leiter er seit der Gründung 1895 war. Hier konnte Zemlinsky nicht nur zahlreiche eigene Werke aufführen, sondern lernte mit Arnold Schönberg auch den wichtigsten Freund seines Lebens kennen.
Über das Engagement in den Künstler-Vereinen hinaus knüpfte Zemlinsky Kontakte zu vielen der wichtigen Musiker, Literaten, Maler und Kritiker aus der pulsierenden Wiener Kunstszene, darunter Gustav Mahler, Franz Schreker, Hugo von Hofmannsthal, Richard Heuberger, Richard Gerstl, Arthur Bodanzky, Julius Korngold, Rudolf Stefan Hoffmann und Richard Specht. Drei Ereignisse griffen – neben der Trennung von Alma Schindler und der Begegnung mit Schönberg – entscheidend in Zemlinskys Privatleben ein: 1899 konvertierte er zum Protestantismus, 1907 heiratete er Ida Guttmann (geb. 1880), die Schwester seiner Jugendliebe Melanie, 1908 wurde seine Tochter Johanna geboren.
Programmzettel 25. 1. 1905, Großer Musikvereinssaal, Vereinigung schaffender Tonkünstler in Wien. Das Konzert, in dem Zemlinsky und Schönberg die Uraufführungen ihrer zeitgleich entstandenen und bis dahin bedeutendsten Orchesterwerke dirigierten, war einer der Höhepunkte ihrer gemeinsamen Aktivitäten in Wien – und ein Dokument ihrer künstlerischen und menschlichen Freundschaft.
Postkarte an Zemlinsky in Rottach/ Tegernsee, 14. 8. 1906. Der unbekannte Verfasser notiert ein „Motiv zu einer symphonischen Dichtung ,der Bergsteiger”, die „energisch um jeden Preis” vorzutragen ist – eine Parodie auf den Beginn von Schönbergs Erster Kammersinfonie op. 9.
Hugo von Hofmannsthal, Klischeedruck nach einer Fotografie von Hugo Erfurth, 1911. Hofmannsthal war für Zemlinsky einer der wichtigsten Dichter. Eine Ballettmusik nach seinem Theater-Tryptichon „Der Triumph der Zeit” war das zentrale Projekt, an dem er zwischen 1901 und 1904 arbeitete. Hofmannsthal hatte den Text 1900 zunächst Richard Strauss angeboten, der aber ablehnte. Eine Aufführung an der Hofoper scheiterte, als Gustav Mahler Zweifel an der dramatischen Qualität des Werks äußerte. Aus der komponierten Musik stellte Zemlinsky später eine Orchestersuite und das einaktige Ballett „Ein Tanzpoem” zusammen.