Vergessenheit und Renaissance
Zemlinsky und die Nachwelt / I

„Zemlinsky kann warten.”
Arnold Schönberg


„… man ist an seinem Schicksal immer selbst schuld – letzten Endes; oder unschuldig schuldig wenigstens. Mir fehlt sicherlich das gewisse Etwas, das man haben muß (…), um nach ganz vorne zu kommen.“

Diese Selbsteinschätzung, die Zemlinsky 1925 in einem Brief an Alma Mahler-Werfel formulierte, sollte sich auch nach seinem Tod bewahrheiten: Fast 30 Jahre dauerte es, bis Zemlinsky auch rezeptionsgeschichtlich aus dem Schatten der anerkannten Leitfiguren seiner Epoche heraustrat. Die sporadischen Aufführungen seiner Musik, die für die drei Jahrzehnte nach Kriegsende zu verzeichnen sind, blieben folgenlose Momentaufnahmen. Signifikanterweise ging der erste stärkere Impuls dann auch nicht von der Musikpraxis aus, sondern von der Theorie: In einem Rundfunkvortrag hielt Theodor W. Adorno 1959 ein markantes, bis heute gültiges Plädoyer für Zemlinsky. Doch erst über zehn Jahre später sollten weitere Taten folgen, zunächst wieder im Bereich der Theorie. Pionierarbeit leistete hier vor allem Horst Weber, der seine Forschungen 1977 in der ersten Zemlinsky-Biografie bündelte, und 1974 veranstaltete das Grazer Institut für Wertungsforschung ein umfassendes Symposium. Wenig später – mittlerweile hatten im „Windschatten“ der Mahler-Renaissance auch Komponisten wie Schreker und Korngold das Ohr der Öffentlichkeit erreicht – erschien eine Schallplatte des LaSalle-Quartetts mit Zemlinskys 2. Streichquartett. Sie wurde ein sensationeller Erfolg und war wochenlang in den Klassik-Charts zu finden.

Um 1980 erreichte die Wiederentdeckung Zemlinskys endlich auch die Opernhäuser. Die Nürnberger Uraufführung des „Traumgörge“ und die Neuproduktion der beiden Einakter nach Oscar Wilde in Hamburg setzten Zeichen, die von der Musikwelt wahrgenommen wurden: Zemlinsky-Aufführungen in Theater und Konzertsaal waren seither keine Rarität mehr und lockten ein breites Publikum an, das hellhörig geworden waren für diesen Komponisten, der den meisten bis dahin nur als Lehrer und Schwager Schönbergs bekannt war. Und es gab noch viel zu entdecken. Erst seit Mitte der 90er Jahre und der Uraufführung des „Kandaules“ kann die Musik Zemlinskys als weitgehend erschlossen gelten, auch in der Erforschung seines Lebens gibt es nur noch wenige Lücken. Zemlinsky ist spät angekommen – aber Schönberg hatte ja schon 1921 prophezeit: „Zemlinsky kann warten“.